B21F6BB4-1C5E-4341-9402-72115F03EA26 24. März 2022

Die Suche nach Resilienz - Teil 2

Wodurch wird eine Stadt resilient? (Teil 2)

Im Rahmen einer Studie mit der [m]SCIENCE - zentraler Forschungsunit der GroupM – sind wir dem Thema „Resilienz einer Stadt“ – fokussiert auf die Kernfrage: „Wodurch wird eine Stadt resilient?“ – gezielt nachgegangen. Wir wollten mit Hilfe einer qualitativen Untersuchung verstehen, was Resilienz für Bürgerinnen und Bürger bedeutet, welche Faktoren eine resiliente Stadt ausmachen und inwiefern sich diese beeinflussen lassen. In unserer Studie (4 morphologische Online-Gruppendiskussionen á 5TN) haben wir uns auf die Städte Hamburg und Bonn konzentriert.

Städte spielen in Krisensituationen eine große Rolle. Die Bürgerschaft wünscht sich klare Vorgaben, Verhaltensregeln und Unterstützung. Diese Faktoren sollen verstärkt in Krisensituationen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Können sie dies nicht, ist das eindeutig eine Schwäche des Systems. Bonn und Hamburg als Erhebungsorte unserer Studie weisen bereits ein gewisses Maß an Resilienz aus, jedoch in unterschiedlicher Ausprägung.

Hamburg gilt in unserer Studie beispielsweise als krisenerprobt. Durchhalten und Weitermachen gehören zur DNA der Stadt. Die Bevölkerung Hamburgs ist immer wieder kleineren Krisen ausgesetzt, die sie nicht mehr aus der Fassung bringen. Hamburg und seine Bürgerschaft zeichnen Eigenschaften wie rau, rational, direkt, stark und gradlinig aus. Die Hamburger Bürger*innen bezeichnen sich selbst gerne als kühl, distanziert und auch etwas unfreundlich. Mit dieser schroffen Art geht jedoch auch eine Stärke einher, auf die Hamburgs Bevölkerung sehr stolz ist. Stolz sind sie auch auf die Einzigartigkeit ihrer Stadt (Hafen-City, Kiez oder Elbphilharmonie). Dieses klar positionierte Stadtbild schafft das Gefühl gegen alles gewappnet zu sein. Hamburg ist der Fels in der Brandung, auch wenn dieser durch Fehler in der Vergangenheit (z.B. G20) Risse bekommen hat und sich ein Teil der Bürgerschaft nach der alten Stärke zurücksehnt. Das widerstandsfähige Selbstbild der Stadt wird in einer Krisensituation immer wieder auf den Prüfstand gestellt. Doch die Kommunikation zu und mit den Bürgerinnen und Bürgern ist positiv.

Im Vergleich zu Hamburg steckt Bonn in einer „Identitätskrise“ und sieht sich nur selten akuten Krisen (Umwelt, Bauprojekte wie Fahrradwege oder Schwimmbäder) ausgesetzt. Man vertraut auf Bonn als „Beamtenstadt“, welche sich in Krisenzeiten Hilfe aus Berlin holen kann. Der Bonner Bürgerschaft fällt es schwer ein klares Bild der Stadt und der Bewohnerinnen und Bewohner zu zeichnen. Sie bedienen sich immer wieder anderer (Stadt-)Bilder. So zieht Bonn die Qualitäten für sich heraus, die gerade gefallen. Damit bleiben sie flexibel, können aber auch kein klar positioniertes Bild abgeben. Bonn bleibt so „eine graue Maus“ und wird als Kleinstadt wahrgenommen. Ebenso sendet die Stadt widersprüchliche Aussagen an seine Bürgerschaft, welche zwischen (gewollter) Weltstadt und der geliebten dörflichen Idylle pendeln. Im Gegensatz zu Hamburg existiert wenig Kommunikation zwischen der Bürgerschaft und der Stadt. Man wünscht sich mehr Verbundenheit in Krisenzeiten – mit der Stadt und untereinander – ebenso eine direktere Kommunikation. Gefühlt „schweigt“ Bonn im Moment noch zu stark. 

Im Rahmen unserer Studie haben wir sechs ausschlaggebende Faktoren für eine resiliente Stadt identifiziert, denen folgende Maßnahmen zuzuordnen sind:

Beständiges Stadtbild
Traditionelle Werte (Vertrautes und Rituale) und Konstanz geben in Krisenzeiten Sicherheit, so wird die Krise durch Stärkung von Vorhandenem abgemildert. Ruhe, Beständigkeit und Besonnenheit sind wichtige Resilienz-Kriterien, die der Bürgerschaft Sicherheit vermitteln. 

Flexible Reaktionsfähigkeit
Das haltgebende Stadtbild muss sich der Krise schnell und flexibel anpassen können (Schnelle Um- & Durchsetzung von Maßnahmen /Regeln). Das kann jedoch auch aufwühlen, da alte, geliebte Bilder angepasst werden müssen. Städte mit einem schwächeren Stadtbild haben hier einen Vorteil. Schnelles Reagieren und die Gestaltung von Neuem unterstreichen die Hoffnung, die Krise schnellstmöglich zu überstehen. 

Wehrhafte Rebellion
Die Bürgerschaft hat den Wunsch, selbst aktiv tätig zu werden, indem sie rebelliert. Dabei wird nicht gegen die Stadt rebelliert, sondern gegen die Krise. Dadurch testen Bürger*innen auch die Resilienz der eigenen Stadt an. Sie haben das Gefühl, den Umgang mit der Krise aktiv mitgestalten zu können (Mitspracherecht und zur Wehr setzen)

Rückhaltgebende Ordnung
Bürger*innen wünschen sich in Krisenzeiten klare Regeln, Zusammenhalt (Gemeinschaft durch z.B. Nachbarschaftsportale) und Vorgaben. Durch das Akzeptieren und Befolgen von Regeln kann sich „erholt“ werden und der Kampf gegen die Krise an die Städte/Gemeinschaft delegiert werden. Solidarität schafft Rückhalt und Vertrauen in die Stadt. 

Präventive Zukunftsausrichtung
Städte müssen einen perspektivischen Weg aus der Krise aufzeigen. Eine klare Linie (im Vorhinein) vermittelt Sicherheit. Dabei müssen eigene Erfahrungswerte als auch Expert*innen-Meinungen und Erfahrungen anderer Länder/Städte die Basis für die Pläne liefern. Dementsprechend wünschen sich die Bürger*innen Klarheit von den Städten („Roadmap“). Dahinter steckt der Wunsch, die Krise handhabbar zu machen, so dass die „heile (Stadt-)Welt“ bestehen bleibt.  

Reflektierte Handlung
Damit präventiv in die Zukunft geblickt werden kann, muss die Krise zunächst durchlitten und überstanden werden. Reflektiertes Handeln ist unabdingbar. Dazu gehört auch, dass Städte Fehler eingestehen (transparente Informationen) und Verantwortung übernehmen. Transparente Aufklärung schafft Glaubwürdigkeit.

Hamburg hat durch seine solide Identität eine klare Stärke im Bereich „Rebellion“ und „Stadtbild“. Die   Stadt tut sich schwerer mit Flexibilität, da das Bild des „Felsens in der Brandung“ Sicherheit vermittelt. Besonnenheit ist Hamburgs Stärke. Gleichzeitig bietet Hamburg die Möglichkeit, sich alltäglich gegen kleinere und größere Krisen aufzulehnen und die eigene „Männlichkeit“ auf den Prüfstand zu stellen. 
 
Bonn hat den Vorteil sehr flexibel zu sein, da an keinem starren Bild festgehalten werden muss. Bonns Stärke ist die flexible Reaktionsfähigkeit, da schnell auf Krisen reagiert werden kann, ohne dass es zu großen Ärgernissen bei der Bürgerschaft kommt. Jegliche Anpassungen des Kurses werden von der Bevölkerung meist sehr schnell akzeptiert. Durch die starke Präsenz diverser Regierungsbehörden geht man von vielen Expert*innen-Meinungen im Krisenfall aus. 

Den sechs Resilienzfaktoren lassen sich konkrete Maßnahmen für die Städte zuordnen. Besonders bedeutenswert als Zeichen einer resilienten Stadt ist die Kommunikation mit der Bürgerschaft. Ein besseres Informationsmanagement zur Krisensituation ist der erste und wichtigste Schritt für eine resilientere Stadt. Über alle Maßnahmen breit gefächert informiert zu werden bildet die Basis für eine Steigerung der Resilienz. Eine gute Kommunikation der Stadt mit den Bürgerinnen und Bürgern ist die Grundlage für die (gefühlte) Widerstandsfähigkeit. So kann die Unsicherheit der Bürgerschaft abnehmen und die Stadt resilienter erscheinen. Aktuell haben die Bürgerinnen und Bürger meist den Eindruck, sich alle Informationen selbst beschaffen zu müssen. Erste Informationen im Stadtbild, beispielsweise über digitale Werbeträger werden wahrgenommen und sind besonders bei akuten Krisen wie bei Bombenfunden oder Anschlägen gewünscht. Durch die digitale Informationsverbreitung auf den Flächen erhalten Bürgerinnen und Bürger das Gefühl, dass sich die Stadt bereits mit der Krise beschäftigt und tätig wird. Jedoch müssen lokale Informationen zur Krise deutlich als wichtig gekennzeichnet werden, damit sie nicht untergehen.  

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