Was muss ein gutes Webvideo haben? Gibt es da eine Faustregel?
Markus Hündgen: Die Frage war schon vor fünf Jahren schwer zu beantworten. 2017 würde die Antwort ein Buch füllen. Denn jede Plattform – und mittlerweile kommt keine mehr ohne Video aus – hat eigene Voraussetzungen und Besonderheiten. Und jedes Jahr ändern sich diese. Eine Faustregel bleibt aber, und die stammt sogar aus dem Fernsehen: Vergeude keine Sekunde und versuche, den Zuschauer die ganze Zeit über an den Bildschirm zu fesseln. Wie das geht? Nun, Snapchat und YouTube unterscheiden sich dabei weit mehr als ein ARTE und ein RTL ...
Was erklärt generell den Erfolg von Webvideos?
Dimitrios Argirakos: Webvideos sind das Leitmedium im Internet und die Königsdisziplin im Social-Media-Bereich. Das Internet multipliziert die Stärken von Bewegtbildern – unter anderem sind das Emotionen, starke Bilder, Storytelling. Dies alles als Webvideo gebündelt wird geteilt, geliked, kommentiert, wiederverwertet, miteinander neu kombiniert. Sprich: Erst im Netz beginnen Bewegtbilder wirklich zu leben. Und zwar immer dort, wo Menschen gemeinsam agieren. Der perfekte Nährboden für jede Kommunikation. Und Menschen lieben es, zu kommunizieren.
Welche Zukunft sagen Sie dem Webvideo voraus?
Hündgen: Der Webvideomarkt in seiner jetzigen Form nähert sich der Sättigung. Die Grenzen verwischen zusehends: Wann ist es nur eine Werbefläche für Influencer, wann ist es Fernsehen – siehe Netflix. Webvideo wird sich weiter ausdehnen, dabei aber weitere neue Formen entwickeln müssen. Niemand will überall die gleichen kurzen Videos mit Pre-Rolls davor sehen. Neue Plattformen brauchen neue Formate, noch fehlt es hierzu in Deutschland an Mut für Experimente wie in den Anfangstagen 2009. Laut gedacht: Bis jetzt ist Webvideo ein relativ passives Medium. Doch sind nicht auch VR, AR und sogar Games eine Form von bewegten Bildern, die ihre Stärken besonders durch das Netz ausspielen? Dem passiven Webvideo droht angesichts dessen keine rosige Zukunft, wenn es sich nicht fortwährend weiterentwickelt.
Welche Ziele hat sich die European Webvideo Academy (EWVA) auf die Fahnen geschrieben?
Argirakos: Die EWVA handelt nach einer Prämisse: Jeder hat das Recht, sein eigenes Publikum zu finden. Entlang dieses Mottos wirkt die EWVA auf vielen, auch medienpolitischen Feldern. Gemeinsam mit der Filmstiftung NRW haben wir als Pilotprojekt das europaweit erste von öffentlicher Hand geförderte Nachwuchsprogramm aufgesetzt. Mit Partnern wie Aktion Mensch haben wir 2016 den Fokus auf junge Menschen gelegt, deren Zugang zum Medienwandel erschwert ist. Dieses Jahr arbeiten wir mit dem ZDF ganzjährig an einem Nachwuchsprogramm. Auch haben wir 2017 mit der Bill und Melinda Gates Stiftung, Endemol Beyond und RTL einen gesonderten Preis für NGOs vergeben, verliehen beim Webvideopreis 2017. Der Webvideopreis erreicht unglaublich viele junge Menschen, sodass er auch für unsere Ganzjahresprojekte eine wunderbare Bühne darstellt und diesen gesellschaftlich wichtigen Dingen mehr Aufmerksamkeit verschafft.