14. Oktober 2019
Wer entscheidet, was sich durchsetzt und was nicht und inwiefern werden wir vom internationalen Markt beeinflusst? Wir haben dazu mit Timur Gökler von der MediaCom Agentur für Media-Beratung gesprochen. Timur ist seit über 15 Jahren in der Branche tätig und leitet dort aktuell das internationale Team.
Hallo Timur! Wir steigen direkt mit einer allgemeinen Frage ein: Was sind die Key Challenges auf Kundenseite im internationalen Markt und inwiefern siehst du hier Unterschiede zu Deutschland?
Ich denke, das Besondere (und spannende) an meiner Arbeit in der International Abteilung der Mediacom besteht darin, dass wir Themen immer global bearbeiten. Ein wichtiger Trend den ich neben den allgemein bekannten Themen wie Programmatic, Voice & Co aktuell sehe, ist das Thema Zentralisierung selbst. Wer über mehrere Märkte hinweg operiert, muss eine möglichst zentralisierte Steuerung von Themen wie Planung, Einkauf, Monitoring und Transformation mit vielen lokalen Besonderheiten vereinbaren. Das zu orchestrieren ist eine große Herausforderung. Wir begegnen auf lokaler Ebene oft sehr unterschiedlichen Marktstrukturen. Was in Europa funktioniert, kann in Asien also eine echte Challenge sein – und umgekehrt. Ziel ist immer, die für den Kunden optimale Balance zwischen globaler Steuerung und lokaler Exzellenz zu finden. Dies hängt auch stark von der Struktur des Unternehmens selbst ab. Deshalb operieren wir verschiedenste Modelle, je nach Kunden, um die individuellen Bedürfnisse optimal zu bedienen.
Sicher jedes Mal eine neue Herausforderung für dich! Jetzt gehen wir direkt ins Detail. Technische Neuerungen wie Voice Control und AR/VR werden in Deutschland aktuell als neuster Trend im Digitalmarketing gehypt. Andere Nationen wie China und Indien sind hier aber schon deutlich weiter. Wie gehst du damit in deinem Daily Business um? Spielen diese Entwicklungen überhaupt eine Rolle?
Die simple Antwort vorweg: Ja. Globale Trends spielen in meinem Daily Business eine zentrale Rolle. Mein Team und ich filtern und selektieren täglich, was auf den Markt geworfen wird. Zum einen erwartet der Kunde das natürlich von uns als Top Beratungsagentur, zum anderen ist es unser Anspruch an uns selbst, den Markt aktiv zu gestalten und nicht nur zu reagieren. Das ist quasi in unserer DNA verankert.
Um auf die Frage nach technologischen Trends einzugehen – da sind wir leider in Deutschland immer noch etwas hinterher. Bedingt wird dies z.B. auch durch unsere technische Infrastruktur die aufgrund der zögerlichen Haltung der Politik gegenüber Entwicklungsthemen von Morgen, und vor allem dem Mangel an Investitionen, vergleichsweise weniger fortschrittlich ist. Hier sind andere Länder einfach weiter. Der Vorteil, den ich an dieser Situation sehe ist allerdings, dass wir Entwicklungen in Ländern wie z.B. China und den USA sehr gut beobachten, und davon lernen können. Damit meine ich nicht, dass wir stumpf kopieren, man kann aber gut vorhersehen, wohin die Reise geht und entsprechend reagieren.
Du denkst also, dass Deutschland nicht unbedingt Vorreiter ist, wenn es um technologische Innovationen geht?
So pauschal würde ich das nicht sagen. Es kommen auch heute noch viele Innovationen und Patente aus Deutschland. Wenn jemand jedoch immer noch der Meinung ist, dass wir, wie vor 20-30 Jahren, eine führende Nation in allen technologischen Bereichen sind, an der kein Weg vorbeiführt, dann sollte man ihn aus seinem Traum langsam aber sicher aufwecken.
Meiner Meinung nach besteht die Basis für Innovation aus zwei Dingen: System und Kultur. System heißt in diesem Fall nicht blind alles Neue 1:1 umzusetzen, sondern den Business Case in den Vordergrund zu stellen. Trends entstehen täglich. Wahrscheinlich entstehen rund um den Globus jeden Tag alleine tausende neuer Werbeformate. Blind jeden Trend aufzunehmen gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wir müssen herausfinden, worin der Kundenneed tatsächlich besteht, um dann mit entsprechenden Innovationen im Sinne einer Lösung reagieren zu können. In die Praxis übersetzt heißt das dann eben nicht, Virtual Reality zu machen, um Virtual Reality zu machen. Wenn es aber ein Problem für meine Kunden löst, zum Beispiel meine gesamte Produktwelt statt nur einzelner ausgewählter Einzelprodukte an Orte wie Messen zu bringen, und diese emotional und innovativ für jeden Geschmack in Szene zu setzen, dann macht Virtual Reality vielleicht wieder Sinn. Auf einmal könnte der kleinste Messestand der Welt den größten und spannendsten Zugang zu meiner Markenwelt bieten.
Kultur ist dann das entsprechende Gegenstück. Mit Kultur meine ich, den Glauben an die Kraft von Innovationen. Das Akzeptieren und Implementieren von „test and learn“-Ansätzen muss tief in der Unternehmenskultur verankert sein, ansonsten wird Transformation nicht gelingen. Und ohne Transformation bleibt ein Unternehmen langfristig auf der Strecke. Gerade hier erkennt man Unterschiede zwischen Unternehmen, Märkten aber auch Ländern.
Auf den Punkt gebracht. Zum Abschluss nun nochmal ganz allgemein gefragt: Gibt es aus deiner Sicht internationale Trendthemen, die auch in Deutschland zukünftig von wachsender Relevanz sein werden?
Wie schon erwähnt, sind die meisten (und vor allem größeren) Trends sowieso globaler und nicht lokaler Natur. Wir leben seit Jahren in einer globalisierten Welt, in der die Dinge nicht mehr trennbar sind. Wenn Märkte globaler werden und nicht mehr trennbar sind, gilt dies auch automatisch für Innovationen, die in diesen Märkten Einzug finden. Falls nicht, sind sie meist kultureller Natur. Es gibt einfach Dinge, die in einem Land funktionieren und in einem anderen nicht. Oder sie brauchen einfach viel länger um sich durchzusetzen. Wenn wir uns bspw. anschauen, wo China mit WeChat steht und dagegen benchmarken wie langsam alleine das Mobile Payment in Deutschland vorankommt, dann haben wir schon einen ersten Eindruck was ich meine. Internationale Trends die uns alle – auch in Deutschland – aktuell beschäftigen sind mit Sicherheit allseits bekannte Themenbereiche wie die steigende Dominanz von Bewegtbild (TV/add.TV/VIDEO/DOOH), Machine Learning, Programmatic Advertising, Voice, neue Attribution Modelle usw. - um nur Einige zu nennen.
Danke für das Gespräch, Timur!
Timur Gökler besitzt über 15 Jahre Erfahrung im Mediabusiness. Seit Jahren ist er auf Agenturseite verantwortlich für die Beratung global agierender Kunden. Dabei streckt sich sein Verantwortungsbereich von Strategie und Planung über den Einkauf bis hin zu Fragen der Innovation und Transformation. Aktuell führt er das International Team bei der MediaCom Agentur für Mediaberatung.