B21F6BB4-1C5E-4341-9402-72115F03EA26 21. Februar 2024

10 Jahre – 10 things | 3 Fragen an Thomas Koch, Berater, Kolumnist, Media-Strategie- und -Planungs-Experte

Seit nunmehr 10 Jahren kuratieren wir jeden Montag im Rahmen unseres Newsletters „10 things you need to know“, die heißesten Trends und Innovationen für den deutschen Medienmarkt. Dieses runde Jubiläum haben wir zum Anlass genommen und im Rahmen einer Blogserie „3 Fragen an“, namhafte Medienschaffende gebeten, die aus ihrer beeindruckendsten strukturellen Veränderungen der vergangenen Jahre, die aktuell wichtigsten Herausforderungen und die zukünftigen am sehnsüchtigsten, gewünschten Innovationen zu beschreiben. 

Wie hat sich Deiner Meinung nach der deutsche Medien- und Werbemarkt in den letzten zehn Jahren strukturell verändert, und welche Entwicklungen haben Dich dabei am meisten beeindruckt? 

Die zunehmende Digitalisierung hat unsere Medien- und Werbelandschaft in den letzten zehn Jahren stärker verändert als in den zehn Jahren davor. Eine Handvoll Online-Plattformen, deren Algorithmen steuern, was wir lesen (sollen), haben die Vorherrschaft übernommen. Sie bedrohen unsere nationalen Publisher und Qualitätsmedien und stellen deren Zukunft in Frage. Im Umgang mit Google, Meta und TikTok entscheidet ein (unschlagbar günstiger) TKP in jungen Zielgruppen über die Zukunft ganzer Medien und des unabhängigen Journalismus in Deutschland. Die KPIs, auf denen diese Plattform-Welt steht, sind zudem in höchstem Maße fragwürdig.  

Das steht unserer Branche, die diese Plattformen zu 100% finanziert, meines Erachtens nicht zu. Ich möchte nicht, dass ein paar Dutzend Mediaentscheider darüber entscheiden, woher künftige Generationen ihre Nachrichten beziehen. Es geht nicht an, dass Marketing-Planer und Media-Einkäufer über das Überleben eines unverzichtbaren Bestandteils unserer Demokratie entscheiden. Ja, die Situation ist dramatisch.

Was sind die aktuell wichtigsten Herausforderungen in der deutschen Medien- und Werbebranche, insbesondere in Anbetracht der rasanten Veränderungen durch die Digitalisierung? 

Es hat sich eine „Brave New World“ entwickelt, ein selbstreferenzielles und selbstverliebtes Mediasystem, das für jede Kampagne alle KPIs, Mediaziele und Benchmarks erreicht und fast immer übertrifft. Und das, wohlgemerkt, bei jährlich sinkenden TKPs. Das ist rein rechnerisch völlig unmöglich. Stört aber niemand. Agenturen lieben es und Media-Entscheider auf Unternehmensseite stellen es nicht in Frage, weil es jeden Tag großartige Erfolgsnachweise zaubert.  

Nicht eine der Zahlen, die hinter Walled Gardens entsteht, ist wahr oder misst die Realität. Im Gegenteil: Wissenschaftler beobachten ein Sinken der Werbewirkung. Die Situation, in die wir uns hineinmanövriert haben, ist geradezu kafkaesk. Wir müssen die Hoheit über unsere Medien-Daten augenblicklich zurückerlangen. Erst dann – und mithilfe von ausbalancierten Media-Mix-Strategien – wird es gelingen, die Werbewirkung unserer Kampagnen wieder zu steigern.

Wenn Du einen Blick in die Glaskugel werfen könntest: Welche Innovationen oder Entwicklungen würdest Du Dir für die Zukunft des deutschen Medien- und Technologiemarkts wünschen, welche hältst Du für wahrscheinlich?

Die wünschenswerteste Entwicklung wäre, mit unseren Kampagnen wirksam Menschen zu erreichen anstelle von Bots – und mit unseren Mediageldern seriöse Publisher zu finanzieren anstelle von MFA- und Hate- und Fake News-Seiten. Die höhere Werbewirkung ginge einher mit dem Erhalt unserer nationalen Publisher und ihres Qualitätsjournalismus. Ob das eintritt, wage ich jedoch zu bezweifeln. Die Online-Entscheider sind viel zu zufrieden mit der Situation wie sie ist.  

Im Augenblick laufen wir, Lemmingen gleich, dem jüngsten Hype um KI hinterher. Bevor auch dieser Hype erstirbt – wie übrigens fast jeder andere Hype zuvor – erhoffe ich mir, dass KI uns hilft, erfolgreicher und vor allem nachhaltiger zu werben. Das kann gelingen. Wenn nicht, wird die Öffentlichkeit die ohnehin nervigen Werber als reine Umweltbelastung abtun und vom Hof jagen. Wir vergessen, dass es in einer zunehmend unbewohnbaren Welt weder Bedarf für Marketing noch für Mediaplanung gibt. Wir sind die Letzten, die die Menschheit dann noch braucht.

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