Das Internet ist aus dem Alltag der Deutschen nicht mehr wegzudenken. Und es verändert das Mediennutzungs- und Informationsverhalten der Menschen enorm. Ein Umstand, der sich erstaunlicherweise aber noch nicht in den Mediaplänen widerspiegelt: Noch immer erhält das Fernsehen den Löwenanteil der Werbespendings, so flossen im vergangenen Jahr laut Nielsen von den insgesamt rund 32 Milliarden Euro Bruttowerbeaufwendungen allein 15,3 Milliarden Euro in TV. Auch das schon seit Jahren tot gesagte Print wird, nach den 8,7 Milliarden Euro Brutto-Werbeeinnahmen zu urteilen, offensichtlich noch als sehr lebendig angesehen.
Dabei hat das neue Mediennutzungsverhalten auch enorme Folgen für die Customer Journey – also die „Reise des Konsumenten“, die er vom ersten Kontakt mit einer Marke oder einem Produkt bis hin zum Kauf oder zur Inanspruchnahme einer Dienstleistung und am besten noch darüber hinaus durchläuft. Vor dem digitalen Zeitalter verlief diese Reise noch relativ berechenbar und geradlinig: Der Kunde sah eine Werbung im TV oder in einem Magazin. Sein Interesse war geweckt, er ging in den Laden, ließ sich womöglich dort beraten und kaufte das Produkt. Ein Schritt baute mehr oder weniger auf dem anderen auf.
Heute ist dank der Digitalisierung nicht nur die Zahl der potenziellen Touchpoints, der Berührungspunkte zwischen Verbrauchern und Marke, geradezu ins Unermessliche gestiegen. Zu den von Markenhand gesteuerten Kontakten kommen jetzt auch noch eine Reihe von scheinbar unkontrollierbaren Kundeninteraktionen hinzu, wie etwa durch den Erfahrungsaustausch in Social Media oder den Besuch von Bewertungsforen. Kurzum: Die Customer Journey ist mittlerweile zu einem wilden Trip mit verschlungenen Wegen und unvorhersehbaren Abzweigungen geworden.
Und es ist ein Trip, bei dem es auch immer wieder zu einer Art Rollentausch kommt: Der moderne Konsument wartet nicht mehr darauf, sich mit Werbung berieseln und von ihr leiten zu lassen. Stattdessen übernimmt er in weiten Teilen die Reiseleitung und bestimmt selbst, welche Route er zu seinem Ziel nimmt – also wann, wo und über welche Kanäle er mit einer Marke oder einem Unternehmen in Kontakt kommt und welche Inhalte er dabei konsumiert. „Die Customer Journey von heute switcht zwischen einer passiven Phase, bei der der Konsument etwas gezeigt bekommt, das für ihn Relevanz hat oder nicht, und einer aktiven Kommunikation, bei der er sich gezielt Informationen sucht“, sagt Wolfgang Bscheid, Geschäftsführer der Serviceplan-Tochter Mediascale.
Werbungtreibende stellt diese Entwicklung vor neue Herausforderungen. Sie haben es nun mit Verbrauchern zu tun, die aufgeklärter denn je sind und auch in Bezug auf die Kommunikation hohe Ansprüche stellen. Sie erwarten individuell auf sie und ihre Bedürfnisse zugeschnittene Kommunikationsinhalte. Der „One-Size-Fits-All“-Ansatz hat also ausgedient, die heterogenen Zielgruppen von heute sind kaum mehr mit der einen richtigen Botschaft auf dem einen richtigen Kanal zu erreichen. Vielmehr müssen Marken das Kunststück vollbringen, entsprechend der Rezeptionssituation mit der richtigen Botschaft zur richtigen Zeit am richtigen Ort beziehungsweise dem richtigen Kanal präsent zu sein.
Diesen gestiegenen Ansprüchen können Werbungtreibende allerdings nur dann gerecht werden, wenn sie einen Perspektivwechsel vornehmen. Nicht mehr das Produkt oder die Marke schreiben die Orchestrierung eines Kommunikationsauftrittes vor, sondern der Konsument. „In allerletzter Konsequenz muss immer der Endkunde im Fokus stehen, den der Werbungtreibende mit seinen Messages erreichen will“, erklärt Richard Offermann, Senior Vice President Direct Sales bei Ströer. „Erst wenn man den Endkunden sehr gut versteht und weiß, in welcher Phase seines Kaufentscheidungsprozesses er sich wie verhält, erst dann kann eine Werbung wirklich gut und effizient ausgespielt werden.“