Bevor ein Kunde sich für den Kauf eines Produktes oder für eine Dienstleistung entscheidet, durchläuft er verschiedene Zyklen beziehungsweise Phasen – zusammengenommen ergeben diese den Kaufentscheidungsprozess oder eben die „Customer Journey“, die Reise des Kunden. Aus Sicht des Marketings fallen darunter sämtliche Berührungspunkte – in der Fachsprache Touchpoints genannt – des Kunden mit einer Marke, einem Produkt oder einer Dienstleistung. Schon im Jahre 1898 entwickelte der amerikanische Werbestratege Elmo Lewis das Werbewirkungsmodell „AIDA“, das die ideale Strategie für die Dialogführung im Marketing beschreibt und aus vier Stufen besteht: Attention (die Aufmerksamkeit des Umworbenen wird geweckt), Interest (er interessiert sich für das Produkt), Desire (der Wunsch nach dem Produkt wird geweckt) und Action (der Kunde kauft das Produkt).
Dieses vierstufige Modell wurde zur heutigen Customer Journey weiterentwickelt, die allein schon aufgrund der digitalen Transformation wesentlich komplexer ist. Die ursprünglich linear verlaufene Reise des Konsumenten ist heute ein Trip voller verschlungener Wege. „Es gibt nicht DIE eine Customer Journey, sondern eine unendliche Vielzahl individueller Reisen“, sagt der unabhängige Markt- und Medienforscher Dirk Engel. „Marketing kann diese Reisen nicht steuern, aber es kann manchmal den Stups in die richtige Richtung geben – vorausgesetzt, man kennt die Bedürfnisse der Kunden.“ Um aber zu wissen, wie dieser „Stups in die richtige Richtung“ auch gegeben werden kann, ist es sicherlich hilfreich, sich auch die Customer Journey modellhaft zu veranschaulichen. Allerdings: Derzeit existieren zahlreiche Varianten solcher Modelle, die je nach Aufgabenstellung und Zielgruppen den Schwerpunkt auf jeweils andere Phasen des Kaufentscheidungsprozesses legen. „Noch gibt es kein allgemeingültiges Journey-Modell“, bestätigt Engel. Der Experte für Konsumentenverhalten und Werbewirkung fasst daher die verschiedenen Erkenntnisse in folgendem, die verschiedenen Phasen wohl am besten umfassenden Modell zusammen:
„Latenz-Phase (Latency)
In dieser ersten Phase besteht keine konkrete Kaufabsicht. Der Konsument hat also genau genommen seine Reise noch nicht begonnen. Trotzdem ist diese Phase entscheidend: Es werden Produkte genutzt, und es gibt – oft eher beiläufige – Kontakte mit der Marke, zum Beispiel über Werbung oder durch die Beobachtung von Freunden, die die Marke bereits nutzen. In dieser Phase ist die Aufmerksamkeit meist gering, weshalb Marken hier unterschiedliche Techniken einsetzen müssen, um die Aufmerksamkeitsschwelle zu überschreiten. Marketing-Kommunikation hat hier die Aufgabe des Vorprägens: ein Marken-Image aufbauen, Kaufkriterien definieren oder – um die Reise-Metapher beizubehalten – das Fernweh anzuregen.
Explorations-Phase (Exploration)
Der Bedarf ist erkannt, jetzt geht es darum, sich einen Überblick zu verschaffen. Die Aufmerksamkeit steigt, Werbung hat eine höhere Chance, wahrgenommen und bewusst verarbeitet zu werden. Gleichzeitig wird aktiv gesucht, wobei die Suche in dieser Phase in die Breite geht. Das Angebot wird gescannt. Ziel dieser Etappe ist es, sich auf wenige mögliche Alternativen zu fokussieren.
Abwägungs-Phase (Consideration)
Nun werden die möglichen Alternativen genauer unter die Lupe genommen. Die Beschäftigung mit dem Produkt geht jetzt nicht mehr in die Breite, sondern in die Tiefe. Es werden zusätzliche Informationen beschafft und gegengecheckt. Das Etappenziel ist erreicht, wenn man sich auf eine der möglichen Alternativen festgelegt hat.
Kauf-Phase (Purchase)
Nun geht es darum, die Konditionen des Kaufs zu verhandeln. Beispielsweise kann man mit einem Autohändler über Preis, Sonderausstattung und Lieferzeit verhandeln oder einen Online-Preisvergleich bei verschiedenen Händlern durchführen, um das billigste Angebot herauszufinden. Der Kauf kann in dieser Phase immer noch scheitern, woraufhin man nach neuen (oder bereits bekannten) Alternativen sucht. Nicht selten führt die Reise hier wieder zurück in die Consideration-Etappe. Wenn aber doch gekauft wird, geht es zur nächsten Station.
Nachkauf-Phase (After Sales)
Die Aufmerksamkeit ist hier immer noch hoch, denn nun muss das Produkt halten, was es versprochen hat. Wie bei einer Ehe kommt nach der Phase des Verliebt-Seins, in der alles rosarot ist, der weniger glanzvolle Ehe-Alltag. Diese Phase haben Marketing-Experten heute wesentlich stärker im Blick als noch vor einigen Jahren. Der Grund dafür ist das Social Web. Denn heute berichten Konsumenten über ihre unmittelbaren Produkterfahrungen auch online – damit unterrichten sie nicht nur ihre Freunde und Bekannten, sondern hinterlassen auffindbare und dauerhafte Spuren (zum Beispiel Produktbewertungen) im Internet, die wiederum als Informationsquelle für andere Konsumenten dienen, die sich jetzt oder später selbst auf die Reise, also auf den Weg zum Produktkauf, machen. Hieraus hat sich eine völlig neue Aufgabe für die Marketing-Kommunikation entwickelt – nämlich Kunden dazu zu bringen, über ihre positiven Erlebnisse in den sozialen Medien zu berichten. Irgendwann sinkt aber die Aufmerksamkeit wieder, die After-Sales-Phase geht in die nächste Latenz-Phase über.