B21F6BB4-1C5E-4341-9402-72115F03EA26 27. März 2025

Spatial-Ausblick mit Philipp Landgraf, Senior Director XR Streaming bei Hololight

Das Wachstum und die Zunahme virtueller Welten oder die Digitalisierung der analogen Welt sind nicht erst seit gestern ein Trendthema. Bereits 2012 läutete Oculus VR (heute Meta) mit der Vorstellung der Oculus Rift eine neue Ära ein. In Deutschland hängen wir als fünftgrößter Markt für Virtual Reality (VR) Technologie den Märkten USA und China hinterher und tun uns schwer mit der Annahme. 

Bis jetzt. Was hat sich in der letzten Zeit verändert und warum startet im Jahr 2025 das große Momentum? 

Dazu haben wir im Rahmen unseres jüngst veröffentlichten Crossroads Essays The Future of Spatial mit dem Experten Philipp Landgraf gesprochen, Senior Director XR Streaming bei Hololight und verantwortlich für strategische Partnerschaften. Hololight ist ein führendes Unternehmen im Bereich Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) Technologien für industrielle Anwendungen. Gegründet im Jahr 2015, konzentriert sich das Unternehmen auf die Entwicklung von XR-Software, -Infrastruktur und -Streaming-Technologie für Unternehmen.

Status quo oder:

Warum VR an Dominanz gewinnt

In den vergangenen Jahren lag der Fokus häufig auf Augmented Reality (AR) Anwendungen. Dann wurden AR und VR kombiniert und in der Theorie zur Mixed Reality (XR) zusammengefasst. Nun ist es so, dass VR deutlich an Relevanz gewinnt. Dies liegt nicht daran, dass die Technologie per se überlegen ist, sie funktioniert aber mittlerweile deutlich besser und erlangt eine zunehmende Dominanz: Während des vergangenen Prime Days wurden mehr Meta Quests (VR-Headset von Meta) verkauft als AirPods – ein starkes Signal für den wachsenden Markt. Auch, dass Apple sich mit der Vision Pro 2024 im Markt positioniert hat, war ein positives und richtungsweisendes Zeichen. Allerdings ist der Preis der Apple Vision Pro noch eine große Hürde.  

Heute befindet sich VR-Technologie auf dem Stand der Verbreitung wie das erste iPhone: Viele besitzen bereits ein Gerät, andere haben es noch nicht – VR-Erlebnisse nehmen aber stetig zu. Niemand wundert sich mehr über klobig aussehende oder Taucherbrillen ähnelnde Devices und fast alle Menschen konnten VR zumindest schon einmal testen. Die Use-Cases werden ebenfalls immer besser und anfassbarer und haben eine größere Nähe zu alltäglichen Anwendungsfällen.

Wir befinden uns derzeit an einem Wendepunkt, weg von der nischig-nerdigen Anwendung hin zu einer Alltagstechnologie. Das merkt man auch in der Außenwerbung: In Philipps Heimatstadt München haben früher an Bushaltestellen oder großen Werbeflächen Smartphonehersteller ihre Produkte beworben, nun hängt die Meta Quest als ganz normales Konsumentenprodukt an diesen Stellen. 

Die Entwicklungsstufe der Hardware oder:

Warum ist VR wie das Smartphone?

Die visuellen Erweiterungstechnologien AR und VR werden nie komplett ausgereift sein. Es geht immer besser; die Hardware kann immer noch kleiner designed, die Auflösung höhergeschraubt oder virtuelle Welten realistischer gestaltet werden. Wenn wir 100% technologische Entwicklung gleichsetzen mit Consumer-tauglich, dann haben wir die 100% erreicht. Uns wird nicht mehr schlecht, der Tragekomfort hat sich verbessert und so weiter. Setzen wir aber 100% Ausentwicklung damit gleich, dass wir unser VR-Erlebnis nicht mehr von der Realität unterscheiden können, dann sind wir noch weit von den 100% entfernt.

Ein Problem stellt die bereits genannte finanzielle Hürde dar. Dabei handelt es sich um besonders hochwertige Geräte wie die Apple Vision Pro – diese bleibt auch in Zukunft für viele Menschen unerschwinglich. Es gibt jedoch zahlreiche, um einiges kostengünstigere Alternativen. Bei Letzteren gerät jedoch oft eine weitere gern diskutierte Facette der VR-Nutzung in Kritik: die Auflösung. Während die Vision Pro 4k bietet, sich jedoch als zu kostspielig erweist, stellen andere Brillen zwar auch gute Auflösungen bereit, allerdings noch nicht bezogen auf das gesamte Sichtfeld. Dies wird eine natürliche Weiterentwicklung nach sich ziehen. Mit den ersten iPhones hat auch noch niemand Filme geschaut – heute ein ganz gewöhnlicher Vorgang.

Zwar ist der Tragekomfort schon sehr viel besser geworden, er ist aber noch nicht perfekt. Das liegt hauptsächlich an dem Gewicht der Brillen, das den langfristigen Tragekomfort beeinträchtigt, denkt man z.B. an die Dauer eines Filmes.

Es wird auch lokale Unterschiede in den Nutzungsanforderungen geben. Für Menschen, die in Großstädten leben, kann VR zukünftig an Relevanz gewinnen: Ein virtuelles TV-Erlebnis, das den Platz und das Geld für den Fernseher spart, wenn die Fläche für weitere Hardware fehlt oder die Mieten exorbitant hoch sind, kann dann durchaus attraktiv werden.

Hinsichtlich der Anwendungsfälle stehen wir noch vor dem Henne-Ei-Problem: Habe ich viele Nutzende, habe ich die Möglichkeit, mehr und bessere Anwendungen zu entwickeln; habe ich mehr oder bessere Anwendungen, erreiche ich mehr Nutzende. Hinzu kommen ebenfalls Berührungsängste, vor allen Dingen bei älteren Generationen. Das Produkt, das auf dem Markt fehlt, ist günstig und in das komplette Alltagssystem integriert.  

Was kommt als nächstes oder:

Und was ist mit KI?

Auf Dauer werden die beiden Technologien VR und AR verschmelzen. In welcher konkreten Form ist bisher unklar, aber VR-Brillen entwickeln sich in Richtung AR, sodass die Immersion nicht mehr vollumfänglich ist, sondern der analoge Raum weiterhin wahrnehmbar ist. AR-Brillen wiederum sind von der Displaytechnologie noch nicht so weit, wie wir es uns wünschen würden, aber beide bewegen sich aufeinander zu.

Ein großes Thema, das diese Entwicklung beschleunigt, ist KI. Die sogenannten AI-Brillen oder Smart Glasses z.B. von Ray-Ban in Zusammenarbeit mit Meta, erleben derzeit einen Anstieg an Aufmerksamkeit, vor allen Dingen durch einzelne Hack-Cases: So können sich Schachspielende während eines Spiels den nächsten Zug über die Brille anzeigen lassen. Übersetzungsdienste in Echtzeit sind ein weiteres Szenario. Denkbar ist, dass aus diesen Brillen heraus eine hybride Lösung entstehen kann, die VR- und AR-Elemente in weiter entfernter Zukunft inkludiert. 

Welche Relevanz hat VR für Medien und Werbung?

Für die Medien- und Werbebranche hat VR das Potenzial, Content jederzeit immersiv zur Verfügung zu stellen. Live-Events stellen eine besonders naheliegende Möglichkeit dar: Nutzende können bereits heute NBA-Footballspiele oder virtuellen Konzerten beiwohnen. Dabei kann ein solches Ereignis nicht nur virtuell besucht, sondern aus verschiedenen Perspektiven erlebt werden – sei es direkt auf dem Spielfeld oder inmitten des Publikums. Diese Möglichkeit bietet einen weiteren Alltagsnutzen außerhalb des Gamingbereichs. Lediglich die teils nicht ausreichend verfügbare Bandbreite kann dazu führen, dass die Qualität des Erlebnisses beeinträchtigt wird.

Besonders in Verbindung mit 5G und KI in Bezug auf die erwähnten AI-Brillen wird es zukünftig möglich sein, Erlebnisse in Echtzeit zu personalisieren und noch intensiver auf die Wünsche und Interessen der Nutzenden einzugehen. VR ermöglicht es, Markenbotschaften in einer neuen Dimension zu platzieren und kann so eine stärkere Verbindung zwischen Marken und Konsumenten schaffen.

Solange sich VR noch nicht so durchsetzt, wie wir die Technologie bisher kennen oder sich die Verschmelzung mit AR durch die noch ausstehenden Entwicklungen bei der Hardware verzögern, gibt es jedoch Zwischenlösungen, wie beispielsweise Lightfield Displays. Diese ermöglichen über Bildschirme ein visuelles 3D Erlebnis, ohne das dafür ein zwischengeschaltetes Device wie ein Smartphone oder eine Brille notwendig ist.  

Herzlichen Dank für das Interview an unseren Experten Philipp Landgraf und die Kuration durch Alexandra Hermann von Hololight. Sie wollen mehr wissen? Sich mit uns austauschen? Schreiben Sie uns gerne an: Strategie(at)stroeer.de