27. März 2024
Seit nunmehr 10 Jahren kuratieren wir jeden Montag im Rahmen unseres Newsletters „10 things you need to know“, die heißesten Trends und Innovationen für den deutschen Medienmarkt. Dieses runde Jubiläum haben wir zum Anlass genommen und im Rahmen einer Blogserie „3 Fragen an“, namhafte Medienschaffende gebeten, die aus ihrer beeindruckendsten strukturellen Veränderungen der vergangenen Jahre, die aktuell wichtigsten Herausforderungen und die zukünftigen am sehnsüchtigsten, gewünschten Innovationen zu beschreiben.
Durch die Omnipräsenz (scheinbar) kostenloser und aktueller Informationen auf diversen Plattformen haben aktuelle Inhalte, wie Nachrichten, Infotainment und People-News, an Wert verloren. Bedeutung und Reichweite ehemals starker Informationsmarken gehen immer weiter zurück, die Mediennutzung fragmentiert zusehends. Social Media wird in diesem Prozess für viele Nutzerinnen und Nutzer inzwischen die wichtigste Informationsquelle. Das liegt auch daran, dass Viele den Wert gut recherchierter und exklusiver Informationen kaum noch zu schätzen wissen. Gleichzeitig prägen Eindimensionalität und Fake News in den Echoräumen der Sozialen Medien das Weltbild vieler Menschen. Interessanterweise hat diese Omnipräsenz aber nicht zu steigendem Wissen unserer Gesellschaft oder zu besserer Informiertheit geführt, sondern zu einer immer größer werdenden Wissenskluft: Gebildete werden schlauer, die Masse lässt sich berieseln. Womit wir beim Entertainment wären: Online- und Streaming-Bewegtbild-Konsum hat Lesen als Kulturtechnik bei der Mehrheit der Userinnen und User abgelöst. Durch die Streaming-Plattformen ist Video-Unterhaltungscontent on demand verfügbar. Positiv für die Zeitsouveränität der Zuschauerinnen und Zuschauer, negativ für das lineare Fernsehen, das seine Funktion als Lagerfeuer der Nation längst eingebüßt hat. Medienkonsum findet auf immer mehr Endgeräten und immer mobiler statt. Für mobile Menschen ist der öffentliche Raum längst ein Ort der Content-Rezeption, was bedeutet, dass in ihrer Wahrnehmung virtuelle Information und Echtwelterfahrung permanent ineinanderfließen. Gut für Out-of-Home Medien, welche die Botschaften der virtuellen in der echten Welt spiegeln (und umgekehrt).
Das erklärt, warum die Außenwerbung durch Digitalisierung und programmatische Buchung und Auslieferung von Content (fast) in Echtzeit das am schnellsten wachsende Medium ist, während das lineare Fernsehen inzwischen der Talfahrt von Print folgt. Media-Money follows Eyeballs: Immer weniger junge und gebildete Menschen nutzen Tageszeitung und Printmagazine oder sehen klassisch fern. Für die Mediaagenturen, deren Geschäftsmodell und Income einst stark an TV-Media hing, heißt es: Gürtel enger schnallen. Für die Werbungtreibenden heißt das: Aufbau von mehr eigenen Kompetenzen. Für die Mediaanbieter heißt das: transparente gattungseinheitliche Leistungs- und Wirkungsparameter, die einfach und programmatisch anbieterübergreifend gebucht werden können.
Ganz persönlich schmerzlich beeindruckt hat mich in den letzten Jahren der Niedergang meines ursprünglichen Metiers – des Journalismus. Was mich aber positiv beeindruckt, sind Medien, die sich – neben den etablierten Platzhirschen der Informationsbranche – Einheitsbrei, Kostendruck und Uniformität entgegenstemmen und unique ernstzunehmende Inhalte anbieten, sei es n-tv, sei es t-online (das sich immer mehr in Richtung Newsbrand entwickelt), sei es Table Media oder The Pioneer. Beeindruckend auch, dass immer neue Plattformen scheinbar aus dem Nichts entstehen, wie TIKTOK oder Clubhouse – und dass deren Stern manchmal so schnell verglüht, wie er zuvor gestiegen ist. Wer weiß heute schon, in welche Richtung er sich morgen verbeugen muss, wenn er sein Abendgebet spricht? Und da Media eine Lemming-Branche ist, beeindruckt mich, wie Werbungtreibende, Agenturen und auch Anbieter agil immer wieder die Richtung wechseln. Es lohnt sich, beispielhaft all die „am-Metaverse-kommt-jetzt-endgültig-keiner-mehr-vorbei“-Prophezeiungen der letzten beiden Jahre zu lesen und mit den Prognosen für 2024, in denen der Begriff überhaupt nicht mehr auftaucht, zu vergleichen. Und mich beeindruckt, dass die Disruption der Medien- und Mediawelt durch die Digitalisierung der unterschiedlichen Mediagattungen scheinbar immer länger dauert, als die Propheten weissagen, dass sie aber unbarmherzig und mit Macht kommt und unser gesamtes Mediasystem über den Haufen wirft.
Out-of-Home ist das letzte verbliebene Massenmedium. Nichts deutet darauf hin, dass sich der Höhenflug der letzten Jahre – beflügelt durch Digitalisierung und Programmatic – abschwächen könnte. Werbungtreibende und ihre Mediaagenturen tun jetzt gut daran, ihre Mediastrategien zu überprüfen und Reichweite und Impact in der echten Welt hochzugewichten. Um die Budgets aus schwächelnden anderen Kanälen aufzufangen, steht die Gattung OOH vor der herausfordernden Aufgabe, eine einheitliche, konsistente und transparente Währungslogik für den gesamten öffentlichen Raum zu schaffen. Bei der Mediaselektion spielt die Tatsache, dass OOH die positivste Umweltbilanz der Mediankanäle vorweisen kann (siehe GreenGRP, siehe Return-on-Environment-Studie), neben dem ROI eine wesentliche Rolle. Konsumentinnen und Konsumenten ist Ökologie ebenso wichtig wie Ökonomie. Dass gesellschaftliche Rahmenbedingungen für Medien und Werbung immer wichtiger werden, sieht man an dem geplanten Kinderlebensmittelwerbegesetz. Hier versucht gutgemeinte Politik eine nicht gutgemachte Verordnung auf den Weg zu bringen, die bis zu 70 Prozent der Werbung für Lebensmittel verbieten will und so werbefinanzierte Medienvielfalt und Meinungsfreiheit in Deutschland bedroht. Apropos Bedrohung: Fake News, ein Übel, das die Digitalisierung mit sich bringt, sucht man auf Screens im öffentlichen Raum vergeblich.
Automatisierte Inhalte-Produktion und Künstliche Intelligenz bei Medienkanal- und Mediaselektion und -einkauf bestimmen die Zukunft unserer Branche. Schon jetzt können Wort-, Bild- und Bewegtbildinhalte durch oder zumindest mithilfe von KI (personalisiert) produziert werden. Und da die meisten Nutzerinnen und Nutzer nichts für Inhalte zahlen (wollen) und der ökonomische Druck auf die Inhalte-Produzenten weiter steigen wird, werden sie künftig noch kostengünstiger und automatisierter mit Content versorgt. Mithilfe von KI werden User-Daten analysiert, um noch tiefere Einblicke in Zielgruppenverhalten, Trends und Effektivität von Kampagnen zu bekommen. Der Trend zu Targeting und damit zu Echokammern wird sich damit verstärken. Das einzige Medium, das sich dem entgegenstemmen kann, ist die Kommunikation im öffentlichen Raum. Der Content auf den Screens ist unübersehbar, unumgehbar und gemeinschaftsbildend. Für die meist kommunalen Pachtgeber bietet sich hierdurch die Möglichkeit, ihre Bürger diskriminierungsfrei mit relevanten Inhalten zu erreichen. Die Medien im öffentlichen Raum werden so zu Kommunikationshubs intelligenter Städte. Wünschenswert ist, dass kommunale Partner der OOH-Medienbieter diese Dimension erkennen und in strategische Gespräche eintreten, um ihre Vision von Smart Cities gemeinsam mit ihren Partnern aus der Wirtschaft umzusetzen.
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