12. Februar 2025
Wie entsteht Werbung, die nicht nur auffällt, sondern wirklich im Gedächtnis bleibt? Diese Frage steht im Zentrum unserer Blogserie zur Kreationsgestaltung von (D)OOH-Motiven und Spots. Wir haben für diesen Beitrag einen Experten gewonnen, der mit seinem Institut seit mehr als 10 Jahren (D)OOH-Kreationen auf Herz und Nieren testet.
Wolfgang Hothum, Gründer und Inhaber des Instituts für Kommunikations-Analyse und -Optimierung (IKAO), unterstützt Unternehmen dabei, Kampagnen datenbasiert zu analysieren und strategisch zu optimieren. Im Interview spricht er über seine Erfahrungen und gibt wertvolle Insights, woran Kreationen in der Praxis häufig scheitern – und wie Kreative dies vermeiden können.
Frage Eins
Wie schätzen Sie die Entwicklung von (D)OOH-Kreationen im Jahr 2024 vor dem Hintergrund einer sich ständig verändernden Medienlandschaft ein?
In der sich aus meiner Sicht mehr und mehr aufsplitternden Medienlandschaft hat sich Out-of-Home längst von einer „kommunikativen Randberieselung“ zu einem Medienkanal von zentraler, strategischer Bedeutung gemausert. Seine Stärke liegt in der konstruktiv bedingten Unausweichlichkeit – ein Vorteil, den sonst keine andere Medienform bietet. DOOH-Spots haben sich als Booster dieser Entwicklung erwiesen und es ist absehbar, dass ihr Stellenwert auch in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen wird. Einziger Wermutstropfen ist für mich allerdings die nach wie vor zu oft nur bedingt überzeugende Qualität der Kreationen, denen wir im Rahmen von Motiv-Analysen noch immer und viel zu oft die Plakattauglichkeit absprechen müssen.
Was – aus welchen Gründen auch immer – viel zu oft vergessen wird: Kein anderes werbliches Medium steht stärker in der Pflicht, Info-Essenzen zu bilden, als das Plakat. Außerdem muss es dabei betont auffällig und einprägsam sein, denn im öffentlichen Raum gilt es, sich gegen eine Vielzahl an Umgebungsreizen durchzusetzen. Es gilt, binnen weniger Augenblicke ins innere Feld des Bewusstseins vorzudringen und einen Beschäftigungsreiz zu setzen.
Um „langwierige Suchläufe“ zwischen den eingesetzten Wirkelementen zu vermeiden, müssen Bild- und Textinformationen zu Sinneinheiten zusammengefasst werden. Doch genau dieser Grundanforderung werden zwei Drittel der Motive nicht oder nur in Ansätzen gerecht. Hinzu kommt oft auch noch das Problem der übertrieben hohen Informationslast. Bei drei von vier Sujets dauert schon die Aufnahme und das Dekodieren der Primärbotschaften länger als drei Sekunden – und diese Zeitspanne stellt die menschliche Wahrnehmung im ersten Relevanz-Check längst nicht zur Verfügung.
Frage Zwei
Was sind vor diesem Hintergrund die wichtigsten Elemente, die eine (D)OOH-Kampagne erfolgreich machen?
Blick anziehen, Blick festhalten und das Gesehene vor dem inneren Auge fixieren. Damit dies gelingt, gilt es drei Dinge auf dem Schirm zu haben:
Frage Drei
Im Bereich der werblichen Kommunikation ist die KI derzeit für mich in erster Linie ein spannendes Tool, das Kreativen neue Möglichkeiten aufzeigt und an die Hand gibt, auf deren Ebenen sie sich allerdings nicht verlieren sollten. Denn klar muss sein, dass die KI keinen Ersatz für eine strategisch verankerte Idee darstellt – und ob sie es jemals schafft, eine annähernd bedeutende Rolle zu spielen, sei einmal dahingestellt. Aktuell stellen wir jedenfalls bei unseren Motiv- und Medien-Messungen fest, dass sich KI-basierte Umsetzungen sowohl auf der impliziten als auch auf der expliziten Signal-Ebene oft noch recht fehlerbehaftet zeigen und sich dies auch erkennbar in den Ergebnissen niederschlägt. Wir mussten euphorisierte Kunden auch via Kommentar schon häufiger auf Niveauverluste hinweisen, die ihre KI-basierten Konzepte gegenüber früher entstandenen Kampagnen aufwiesen. Alles natürlich nur eine Momentaufnahme im Rahmen einer rasant verlaufenden Entwicklung. Aber wenn ich sehe, dass auf den Bild- und Textebenen plötzlich wieder Dinge auftauchen, die nichts als den Status Verständnis- oder Lesebremse verdienen, dann kann ich die KI-Euphorie derzeit nur sehr bedingt teilen.
Bevor auf Kundenseite die Rechnung aufgemacht wird „das macht doch jetzt alles die KI“ tun Agenturen gut daran, sich in punkto KI klar zu positionieren. Also welchen Stellenwert räumen sie ihr im Strategie- und Kampagnenfindungsprozess ein. Auf welchen Feldern setzen sie bewusst und aus gutem Grund auf menschliche Intelligenz und wo und wie wollen sie beide Substanzstränge zusammenführen um zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Diese Positionierung in Sachen KI ist in kurzen Abständen fortzuschreiben und an das aktuelle Leistungsvermögen der KI anzupassen.
Kreative sollten die KI als Turbolader für ihre Ideen ansehen, dabei aber das kreative Heft weiter in der Hand behalten. Mit gefällt hier als Übersetzung übrigens das Comic-Duo Daniel Düsentrieb und Helferlein. Die kleine Glühbirne verfügt ja bekanntlich schon seit 1956 über ein Megamikro-Elektronengehirn mit Künstlichem Intelligenz-Modul (KIM) und einem Spontanen Emotionsakkumulator (Spa). Die blitzgescheitete Birne hat ziemlich oft auch den Satz „Jetzt muss ich meinem Meister aber rasch aus der Patsche helfen!“ in der Sprechblase. Und das tat sie dann auch. Doch Spaß beiseite: Wenn sich die Kreativen als vordenkende Meister sehen und die KI als hochentwickelten Helfer, dann kann auf dem Weg in die kreative Zukunft auf Dauer nichts schiefgehen.
Wolfgang Hothum hat uns aufgezeigt, was Kreationen alles leisten müssen, um das Grundrauschen des öffentlichen Raums zu durchbrechen und die Menschen zu erreichen – und welche Fragen sich Agenturen stellen müssen, um nicht von Künstlicher Intelligenz abgehängt zu werden. Doch wie bewerten andere Experten die Herausforderungen und Chancen in diesem Bereich? Lesen Sie auch unsere Interviews mit Thomas Koch und Joachim Netz, die weitere spannende Perspektiven und wertvolle Tipps liefern.