05. November 2024
In unserem täglichen Leben begegnen wir Außenwerbung auf unterschiedlichen Wegen und in verschiedenen Formen: Ob groß, imposant, digital oder analog. Doch wie schafft man es, bei durchschnittlich zwei Sekunden Betrachtungszeit die volle Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu gewinnen und eine Botschaft zu vermitteln, die im Gedächtnis bleibt? Das bringt besondere Spielregeln und Gestaltungstipps mit sich.
Nachdem wir in den letzten beiden Beiträgen die Grundlagen der (digitalen) Außenwerbung beleuchtet haben, widmen sich unsere Autor:innen Hannah Peter und Philipp Pendro diese Woche den Sonderumsetzungen im (D)OOH-Bereich.
In einer Zeit, in der Konsument:innen mit Werbebotschaften überflutet werden, sind kreative und innovative Ansätze der Schlüssel, um sich abzuheben. Insbesondere da sich die Aufmerksamkeitsspanne, vermehrt bei jüngeren Zielgruppen, stetig verkürzt.
Die Zukunft der Werbung liegt folglich nicht nur in digitalen Formaten, sondern auch in den überraschenden und kreativen Inszenierungen im öffentlichen Raum. Mit innovativen Ideen und einem Auge für Details können (D)OOH-Kampagnen damit mehr als nur Werbung sein.
Special Ads sind kreative Werbeformate, die klassische Werbeflächen zu etwas Besonderem machen. Hierbei wird nicht einfach nur ein Plakat aufgehängt oder ein gewöhnlicher Spot ausgespielt – das Ziel ist es, Passant:innen zu überraschen und zu faszinieren.
Zumeist findet man sie an besonders kontaktstarken Standorten wie Bahnhöfen, Flughäfen oder Einkaufszentren: International an Hotspots wie dem Times Square und in Deutschland beispielsweise am Stachus in München oder dem Jungfernstieg in Hamburg. Special Ads können ebenfalls mit klassischen (D)OOH-Medien kombiniert werden, um einen stimmungsvollen Gesamteindruck zu schaffen.
Zum besseren Verständnis lassen sich diese Sonderinszenierungen in drei Kategorien aufteilen.
Kategorie Eins: Modelle, Special Effects & 3D
Diese Art von Werbung spielt mit ungewöhnlichen Formen, Größen und Materialien, die jenseits des Standards liegen. Sie sind zumeist visueller Natur, die unweigerlich Blicke auf sich zieht und haben eine hohe Wahrscheinlichkeit, in den sozialen Medien geteilt zu werden, ohne dass sie eine tiefere Interaktion erfordert. Positiv ist hierbei, dass der erste Eindruck stark ist und so innerhalb des Werbemittels früh und deutlich Impulse setzt. Auf der anderen Seite ist hierbei allerdings zu beachten, dass sie eher kurzfristig sind und sich solche Effekte mit der Zeit abnutzen. Das primäre Ziel ist, Präsenz zu zeigen oder gar einen öffentlichen Raum zu dominieren.
Zu dieser Kategorie kann man viele Inszenierungen dieser Art zählen:
Ein Beweis dafür sind die viralen Effekte von 3D-Kreationen auf dem Times Square: Große Marken wie Balenciaga, Nike & Netflix setzen überdimensionale Außenwerbeinszenierungen ein, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zu erregen und als Multiplikator für Social Buzz zu dienen. Die Inszenierungen begeistern Passant:innen so sehr, dass sie diese in ihren eigenen Social Feeds teilen. Ein schöner Nebeneffekt: das Sharen der Inszenierungen führt im besten Fall zu zusätzlicher digitaler Reichweite – und das kostenlos.
Und was könnte ein größeres Kompliment für Kreative sein, wenn die eigene Kreation Menschen so sehr begeistert, dass sie sie auf Social Media teilen?
Best Practice
Die Oatly-Kampagne 2021 in Paris umging auf kreative Weise die strengen Werbevorschriften der Stadt, die Wandbilder nur dann zulassen, wenn sie „kunstvoll“ ausgeführt sind und keine Produkte oder Logos zeigen. Oatly nahm diese Herausforderung an, indem es textbasierte Wandbilder mit spielerischen Botschaften wie „Wäre diese Wand nicht viel schöner mit einer Packung Haferdrink?“ entwarf. Obwohl die Wandbilder keine direkten Produktdarstellungen enthielten, wurden die Produkte von Oatly mit Hilfe von perspektivischen Tricks geschickt in das Kunstwerk integriert. In Videos, die online verbreitet wurden, platzierten Lieferfahrer Oatly-Produkte strategisch vor den Wandgemälden und richteten sie so aus, dass die Illusion von Markenelementen innerhalb der Kunstwerke entstand.
Dieser innovative Ansatz, der Humor und Kunst miteinander verbindet, entsprach nicht nur den örtlichen Gesetzen, sondern zog auch die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich und sorgte für ein großes Online-Engagement. Die Kampagne verwischte effektiv die Grenzen zwischen Kunst und Werbung und verwandelte städtische Räume in spielerische, zum Nachdenken anregende Installationen und markierte gleichzeitig den Eintritt von Oatly in den französischen Markt.
Kategorie Zwei: Räume, Interaktion und Events
Natürlich verfolgen alle Special Ads das Ziel, größtmögliche Aufmerksamkeit zu generieren. Dennoch gehen die nachfolgenden Beispiele einen Schritt weiter und machen die Marke im wahrsten Sinne des Wortes anfassbar. Interaktive Elemente ermöglichen es der Zielgruppe, direkt mit der Werbung zu interagieren – sie schaffen so eine individuelle Erfahrung, die eine stärkere emotionale Bindung zur Marke aufbauen. Durch die aktive Teilnahme bleibt die Marke länger im Gedächtnis.
Zu dieser Kategorie kann man unter anderem Inszenierungen dieser Art zählen:
Best Practice
Die „dog- and dog owner-first campaign“ von Klarna wurde durch interne Erkenntnisse angestoßen, die herausfanden, dass viele Kund:innen gleichzeitig Hundebesitzer:innen waren.
Die Besonderheit: Sie gewannen zuerst die Aufmerksamkeit ihrer Hunde. Die Kampagne fand in New York City statt und beinhaltete ein auffälliges, pinkes Wandgemälde vor einem Hundepark in Brooklyn. Herzstück waren die 910 echten Hundespielzeuge, die an der Installation befestigt waren und die Hunde zum Spielen animierten. Während die Hunde interagierten, konnten die Besitzer über einen QR-Code die Klarna-App installieren und für ihre Hunde einkaufen.
Das Ziel war, sowohl die Aufmerksamkeit der Hundebesitzer vor Ort als auch online zu erreichen. Die Kampagne verlief erfolgreich, generierte in vier Wochen über 700.000 Impressionen und wurde stark in sozialen Medien geteilt, auch dank Influencern wie Topher Brophy. 82 % der Betrachter waren Hundebesitzer, die durch die Aktion direkt mit der Marke interagierten.
Kategorie Drei: Influence Society!
Ein ganz besonderes Erlebnis schaffen Kreative, wenn (D)OOH-Inszenierungen plötzlich mehr sind als reine Werbung – wenn dadurch die Marke wichtige Themen der Gesellschaft adressiert und sich entsprechend positioniert. Natürlich ist dies auch ohne Sonderumsetzungen möglich, aber verknüpft mit einer interaktiven Inszenierung, werden diese Kampagnen unvergesslich.
Best Practice
Das „Injectable Billboard“ von Dove besteht aus Tausenden von Spritzen und setzt ein Zeichen gegen die ungesunden Schönheitsstandards und den Druck, der auf Mädchen und junge Frauen ausgeübt wird. Das Plakat weist insbesondere auf die Zahl der kosmetischen Injektionsverfahren hin, die bei Jugendlichen durchgeführt werden.
Dove setzt sich weiterhin für authentische Schönheit ein und stellt unrealistische Schönheitsstandards in Frage, insbesondere in einer Zeit, in der Augmented-Reality-Schönheitsfilter immer fortschrittlicher werden. Indem Dove junge Frauen dazu ermutigt, ihre Einzigartigkeit anzunehmen, trägt das Unternehmen dazu bei, Schönheitsnormen neu zu definieren und Selbstliebe und Selbstbewusstsein zu fördern.
Die Plakatwand war nur drei Tage lang im Einkaufszentrum Square One in Toronto zu sehen, aber ihre Botschaft über toxische Schönheitsnormen wurde über soziale Medien weitergetragen.
Best Practice
easyJet startete eine interaktive Plakatkampagne in London, um junge Frauen für eine Karriere als Pilotin zu begeistern. Die Kampagne zeigte die reale easyJet-Kapitänin Sarah Acklerley sowie einen scannbaren QR-Code, der es Passanten ermöglichte, mit der Plakatwand zu interagieren. Diese Initiative zielte darauf ab, weit verbreitete Mythen zu entkräften, wie beispielsweise den Glauben, dass der Pilotenberuf ein reiner Männerberuf ist und dass ein Universitätsabschluss erforderlich ist, um Pilot zu werden.
Eine Umfrage von easyJet ergab, dass 47 % der jungen Mädchen glauben, dass Piloten ein Männerberuf sind, und 41 % haben noch nie eine Pilotin gesehen. Um diese falschen Vorstellungen zu widerlegen, ergänzte easyJet das Plakat mit Schulbesuchen und einer Sommerflugschule, um Mädchen weiter zu ermutigen, die Luftfahrt zu entdecken.
Wenn es um Sonderumsetzungen in der OOH- und DOOH-Werbung geht, sind internationale Beispiele oft eine Sammlung der Superlative. Marken investieren in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Japan viel in großangelegte, aufwendige Kampagnen, die weit über die klassischen Formate hinausgehen. Ein Paradebeispiel dafür ist die berühmte Times Square-Werbung in New York, wo überdimensionale DOOH-Screens regelmäßig beeindruckende 3D-Effekte und interaktive Elemente einsetzen. Hier können Marken eine regelrechte Show inszenieren, die nicht nur die Passant:innen vor Ort anspricht, sondern auch in den sozialen Medien viral geht.
Best Practice
Die Kampagne „Coughing Billboard“ sollte Raucher:innen dazu bewegen, mit dem Rauchen aufzuhören. Dazu wurde eine digitale Plakatwand entwickelt, die reagierte, wenn jemand in ihrer Nähe rauchte. Auf der Plakatwand, die am Odenplan Plaza in Stockholm aufgestellt wurde, war ein Modell zu sehen, das hustete, wenn es Zigarettenrauch oder den Schein einer brennenden Zigarette wahrnahm. Diese innovative Technologie nutzte fortschrittliche Rauch- und Wärmemelder, die empfindlicher als herkömmliche Rauchmelder sind, um Rauchen im Freien wirksam zu erkennen.
Die Kampagne lief zwischen Weihnachten und Neujahr und nutzte den allgemeinen Neujahrsvorsatz, mit dem Rauchen aufzuhören. Sie gab Tipps für gesündere Alternativen zum Rauchen und spielte auf schwedische soziale Normen an, indem sie Raucher ermutigte, nicht nur an ihre Gesundheit, sondern auch an die Auswirkungen auf ihre Umgebung zu denken. Das Plakat erregte mit 430 Millionen Medienaufrufen weltweit große Aufmerksamkeit in den Medien und brachte die Diskussion über die Gefahren des Rauchens wieder in Gang.
Im Vergleich zu internationalen Märkten zeigt sich Deutschland bei Sonderumsetzungen in der OOH- und DOOH-Werbung oft zurückhaltender. Zwar gibt es auch hier beeindruckende Kampagnen, jedoch ist die Hemmschwelle, in neue und mutige Werbeideen zu investieren, meist höher. Viele Marken setzen hier nach wie vor auf klassische Formate wie großflächige Plakate oder City-Light-Poster.
Dennoch gibt es auch in Deutschland Best Practices für Sonderumsetzungen, die (D)OOH-Kampagnen zu etwas Besonderem machen: In manchen Fällen zu mehr als nur Werbung.
Best Practice
Jedes Jahr im Herbst erstrahlt Berlin im Zuge des Festival of Lights in verschiedenen, spektakulären Lichtern. 2021 fand das Festival unter dem Motto „Creating Tomorrow“ statt und rückte damit das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus. The Climate Pledge präsentierte sich hierbei als offizieller Sponsor und sorgte mit eigenen Lichtinszenierungen am Brandenburger Tor und weiteren Sehenswürdigkeiten für besondere Aufmerksamkeit. Begleitet wurden diese durch Online Video und PR-Maßnahmen. Eine ganz besondere Inszenierung, die durch enge Zusammenarbeit zwischen Kunde, Content Fleet und Ströer auf die Beine gestellt wurde.
Best Practice
Drei in Eins: Gaffel konnte mit nur einem Mega-Light alle drei Sorten Fassbrause in Szene setzen. Dafür wurde der Fuß des Mega-Lights als überdimensionaler Baum foliert und auf der Scheibe des Werbeträgers waren zusätzlich Blätter des anmutenden Baumes aufgeklebt. Mithilfe des Plakatwechsler wurden dann die Motive im Mega-Light zu einem Zitronen-, Orangen- oder Apfelbaum. Somit konnten nicht nur alle Sorten gezeigt werden, sondern die Marke hatte durch die kreative Inszenierung auch einen starken Auftritt.
Best Practice
AIDA Cruises brachte in Zusammenarbeit mit Ströer den Trend der 3D-Kampagnen nach Hamburg. Vor den Cruise Days wurde eine eindrucksvolle 3D-Werbung auf den neuen Public Video City Towern und Public Video Giant Bildschirmen der Stadt präsentiert. Die Kampagne, mit einem animierten Wasser-Effekt, vermittelte eine bewegte Liebesbotschaft an Hamburg. Die 3D-Animation, erstellt von Content Fleet, nutzte einen imaginären Rahmen, aus dem Elemente optisch hinausragten, sodass sie sich auf die Zuschauer:innen zuzubewegen schienen. Diese optische Täuschung sorgte für große Aufmerksamkeit und zeigte die Wirkungskraft moderner 3D-Kampagnen.
Best Practice
Im August 2021 verwandelte ABSOLUT Vodka den Münchner Hauptbahnhof in die meistbesuchte Kunstgalerie Deutschlands. Der Aufgang zu den S-Bahngleisen wurde komplett foliert und durch die Einbindung von Public Video Infoscreens und Station-Assets in eine beeindruckende Kunstinstallation verwandelt.
Die Aktion präsentierte verschiedene Künstler:innen und deren NFT-Kunstwerke unter dem Thema „THE ABSOLUT ART OF TOGETHERNESS“. Besucher konnten über QR-Codes direkt auf die NFTs bieten. Die Kampagne wurde durch Social Media Aktivitäten und eine virtuelle Galerie ergänzt, um ein ganzheitliches Markenerlebnis zu schaffen, das über reine Werbung hinausging.
Es liegt in den Händen der Kreativen, die Entwicklung der OOH- und DOOH-Werbung in Deutschland voranzutreiben. Der deutsche Markt ist traditionell eher konservativ, wenn es um Werbung geht. Doch gerade in der heutigen Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen immer kürzer wird und der Wettbewerb um die Wahrnehmung immer härter, sind innovative und mutige Kampagnen wichtiger denn je.
Sonderumsetzungen, die über das klassische Plakat hinausgehen und die Möglichkeiten der digitalen Technologie voll ausschöpfen, können den Unterschied machen. Ob interaktive Plakate, 3D-Installationen oder DOOH-Screens, die auf die Umgebung reagieren – Kreativität und der Einsatz neuer Technologien sind der Schlüssel, um in der Masse der Werbebotschaften aufzufallen. Insbesondere in Metropolen, wo tausende Werbebotschaften täglich auf die Menschen einprasseln, bieten spektakuläre Sonderumsetzungen eine Chance, nicht nur die Blicke der Passant:innen zu gewinnen, sondern auch nachhaltig in Erinnerung zu bleiben.
Und schon inspiriert für die nächste D(OOH)-Kampagne? In den kommenden Monaten stellen wir mit unserer mehrteiligen Blogserie die wichtigsten Elemente der (D)OOH-Kreation dar, zeigen diverse Möglichkeiten der Interaktion und inspirieren mit innovativen und technologieverknüpften Erfolgsbeispielen. Bleiben Sie gespannt!
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